Interview

Hallo Wolfram.
Erst einmal herzlichen Dank dass Du dir die Zeit für das Interview nimmst. Ich denke gerade mit deinem Hintergrund können wir doch einen anderen Blick auf das Thema Architekturvisualisierung werfen. Vielleicht stellst Du dich und dein Hintergrund zuerst einmal kurz vor.

Hi Tony,
vielen Dank für die Einladung für das Interview. ich empfinde das als Ehre!

Zur Erklärung: Auf „tonytextures.de“ bin ich gestoßen, als ich „auf „die Schnelle“ gute – d.h. nahtlos kachelbare – Pflastertexturen suchte. Eine der ersten Trefferstellen war tatsächlich „tonytextures“ und ich war platt, was für tolle Sachen er einfach veschenkt. Also wenn Ihr was zum rendern braucht: geht zum Tony. Und der hat noch tollere Sachen, die man für wenig Geld kaufen kann und dann muß man auch nicht mehr suchen!

Also zurück zum Interview:

Ursprünglich habe ich Architektur an der TU Braunschweig studiert. Zur Landschaftsarchitektur bin ich erst durch Hinnerk Wehberg gekommen. Der war Professor an der TU und nachdem ich 1994 mein Diplom machte, holte mich sein Assistent Dirk Junker nach Hamburg. Dirk ist heute Professor an der FH Osnabrück und wir arbeiten immer noch zusammen.

Ich kam also Anfang 1995 nach Hamburg, das war eine unglaublich aufregende Zeit für mich, denn alles schien möglich. Eigentlich wußte ich nicht, was aus mir werden sollte. An der TU hatte ich offiziell Architektur studiert, tatsächlich habe ich den Großteil meiner 16 Semester (!) bei Prof. Jürgen Weber verbracht, der war Bildhauer und hatte eine wundervoll eingängige und leistungsfähige Gestaltungslehre für die Architekten entwickelt. Ich hatte dort irgendwann sogar ein Atelier, und ich konnte das ganze Institut nutzen, das war ein Schlaraffenland. Es gab Preßluftwerkzeuge im ganzen Haus, ein Steinbildhauerzelt, wir konnten Bronze gießen, Keramiken brennen, wir hatten ein Fotolabor, einen Aktzeichensaal und ein wahnsinnig umfangreich ausgestattete Druckwerkstatt in der ich sehr viel Tiefdruck machte – es war ein Traum.

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Allerdings war ich in einer Zwickmühle: Architektur fand ich als Studium wunderbar, aber die Berufspraxis, die wir in Braunschweig fast alle schon während des Studiums kennen lernten, gefiel mir gar nicht; mir fehlte jedes Talent zur Aktenführung und wenn Du überhaupt etwas können mußt in diesem Beruf, dann ist es das. In der Bildhauerei fühlte ich mich wohler, aber ich sah in der Kunst auch keine Zukunft, denn dazu war ich nicht besessen genug, das muß man aber sein, um überhaupt einen Fuß an Land zu bekommen.

Also, was sollte das werden? In meiner Diplomarbeit waren viele landschaftliche Entwurfsaufgaben zu bewältigen, das machte Spaß und ich hatte ein Händchen dafür. Und so landete ich also in Hamburg bei WES und Partner.

Wann und wie kam es denn bei Dir zu der Spezialisierung auf „handgemachte“ Architekturillustrationen?

Das war gar keine „Spezialisierung“, denn was anderes als Handzeichnung gab’s Mitte der 90er nicht, schon gar nicht in der Landschaftsarchitektur. Bei WES hoffte ich eigentlich als Entwerfer arbeiten zu können, aber nach einem halben Jahr stellte ich fest, daß ich alle Wettbewerbe des Büros zeichnete. Das behagte zwar meiner Eitelkeit, führte aber ganz woanders hin. Nach anderthalb Jahren war ich wirklich „um“, oder wie man heute so sagt: „burned out“.

Ich hatte Illustratoren kennengelernt und wußte, daß es Agenten für diese Leute gibt. Das wollte ich auch machen. Zum Glück hatte ich keine Ahnung, dass ich dazu nicht ansatzweise genug konnte und wußte. Und so saß ich eines Tages bei Corinna Hein auf dem Sofa und zeigte ihr meine Lose-Blatt-Sammlung, die ich in völliger Selbstüberschätzung „Mappe“ nannte.

Corinna war aber sehr freundlich und höflich. Und dann sagte sie irgendwann diesen Satz: „Sie können doch auch Architektur zeichnen, oder?“ Genau davon wollte ich ja weg und grunzte nur, ein „ja, aber“. Sie: „Schade, dass Sie darauf keine Lust haben; ich habe da eine Polin, die ist gut, aber so langsam und so zickig, wenn Sie ein bißchen billiger wären als Peter Wels, hätte ich Arbeit ohne Ende für Sie…“

Peter Wels kannte damals jeder Architekt. Der malte schwarz-weiße Schatzkästchen für gmp, Kleffel-Köhnholdt, Ingenhoven, Schweger und Partner, einfach alle Großen im norddeutschen Raum. Ich dachte mir: naja, wie lange sitzt der daran? Vielleicht ne Woche? Was bekommt der dafür? 1.000 Mark? 2.000,-? Nicht der Mühe wert. Ich grunzte und winkte ab.

Die Agentin kam aber immer wieder darauf zurück: „also, wenn sie ein bißchen billiger wären, als Peter Wels…“ und ich: „Ummmpffffnööööö“.

Erst beim vierten oder fünften Mal kam ich auf die Idee zu fragen, was das denn bedeutet „ein bißchen billiger als Peter Wels“ zu sein. Sie sagte: „naja, wenn er für Investoren arbeitet, dann bekommt er zwischen 16.000,- und 20.000,- Mark. Pro Zeichnung“.

Da habe ich mir das eben nochmal überlegt, ob ich nicht doch Architektur zeichnen mag. (lacht)

(Nur der Vollständigkeit halber: ich habe leider nie 20.000,- Mark für eine Zeichnung bekommen, und ich bin ziemlich sicher, daß nach Peter Wels und Helmut Jacoby auch nie wieder jemand diese Honorare durchsetzen konnte. Peter darf ich inzwischen als einen meiner besten Freunde bezeichnen und ich kenne sein Geschäft ziemlich gut. Was er kann, davon bin ich weit entfernt, da ist auch meine Kunstauffassung anders; er hatte seine Karriere aber auch zu einer Zeit gemacht, in der so etwas möglich war. Davon können wir nur noch träumen.)

Ich glaube man kann Dich ja schon im besten Sinne als „alten Hase“ der Szene beschreiben. Gab es in deiner langen Schaffenszeit besonders interessante Projekte oder Begegnungen?

Ohje. Da hätte ich tonnenweise lustige und aufregende Geschichten zu erzählen, aber die meisten dürften nicht in die Öffentlichkeit. Also, wenn wir uns am Lagerfeuer bei ein paar Bierchen treffen, dann packe ich mal aus. Da kommen einige der großen Namen vor, die man auch heute noch kennt…

Interessante Projekte? Eine meiner Lieblingszeichnungen ist immer noch das „vögelnde Pärchen im Mondenschein“. Diese Zeichnung war auch der Grund die Selbstständigkeit zu suchen.

Das kam so: Anfang 1996 hatte ich im Büro drei oder vier Wettbewerbe gleichzeitig gezeichnet, wir hatten eine Menge Streß und Ärger, man mochte nicht, was ich zeichnete und ich begann an meinen Fähigkeiten zu zweifeln.

Doch dann kam Hinnerk Wehberg zu mir und sagte: „Wir haben eine Veröffentlichung in der Garten und Landschaft, das ist ne große Sache, da geht’s um „Skulpturen im Park“, wir haben da diesen Auftrag in Brandenburg, die Landesversicherungsanstalt, da kommen dann Plastiken vom Jo Jastram hin, wir wissen aber noch nicht was. Du hast doch beim Weber Bildhauerei studiert, das kannst Du, zeichne was Erotisches.“

Dann ließ er mich mit der Adresse der zuständigen Redakteurin und ein paar Skizzen allein und verabschiedete sich in den Urlaub. Da saß ich nun und niemand paßte mehr auf mich auf. Ich hatte gleich eine Idee, in welchem Licht ich Wehbergs Entwurf in Szene setzen wollte: das war ein kleiner Hügel, auf dem die Skulptur stehen sollte, umrandet von einem Baumring. Ich stellte mir vor, wie das bei Mondschein ausschaut, nachdem der Tau gefallen ist und sich dort ein lüsternes Pärchen trifft.

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Die Zeichnung dauerte nur wenige Stunden, ich machte noch ein paar andere Zeichnungen, die längst verschollen sind, tütete das alles ein und schickte es an die Redaktion. Dann hörte ich wochenlang nichts mehr davon. Aber zum ersten Mal seit Monaten hatte ich wieder Lust und Spaß beim Zeichnen gehabt und das löste in mir den Wunsch aus, mich mit anderen Sachen selbstständig zu machen.

Als Hinnerk wieder aus dem Urlaub zurück kam, rannte er als erstes an meinen Tisch, in seinem Gesicht standen Wut und Ärger, den ich mir nicht erklären konnte: „Was hast Du der Redakteurin von G&L nach München geschickt??“ Da war etwas schief gegangen, soviel war sicher… Ich zeigte auf die Kopien, die ich hatte machen lassen. Hinnerk vertiefte sich in die Zeichnungen und stammelte immer nur „Oh mein Gott, das ist übel…“ Gleichzeitig sah ich aber, daß er meine Zeichnungen liebte. Nach einer Viertelstunde verschwand er mit einem Grunzen und ich war auch nicht schlauer, als zuvor.

Wie sich heraus stellte, fehlte mir eine wichtige Information: die Redakteurin war engagierte Feministin und fühlte sich schon vorher von Wehbergs zutraulicher Art bedrängt; die Zeichnungen waren nun der endgültige Beweis, daß Wehberg sie nicht ernst nahm, sie war tödlich beleidigt, denn sie dachte, daß das Motiv auf seinen ausdrücklichen Wunsch entstand. Die Sachen wurden nicht veröffentlicht und WES bekam über Jahre keine Veröffentlichungen mehr bei Garten und Landschaft. Und ich machte mich selbstständig.

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Wie hat sich die Szene der Architekturillustrationen in deiner kreativen Zeit gewandelt?

Ganz klar: das Rendering hielt Einzug und verdrängte fast völlig die Zeichnerei. Oder genauer: sie bot eine Alternative zur Zeichnung. Es gab ja vorher nur sehr wenige Zeichner, die das hauptberuflich machten, das war ein sehr überschaubares Angebot. Peter Wels zeichnete für Ingenhoven und gmp, Helmut Jacoby lebte damals noch in New York und war nochmal teurer.

Aber plötzlich gab es Visualisierer ohne Ende, besonders die ganzen Projektentwickler mit ihren Eigenheimchen waren überglücklich, daß die ihnen jemand quasi photorealistisch rendern konnte. Eine Wels-Zeichnung hätte 10.000,- gekostet, das hätte sich ja gar nicht gelohnt.

Am Anfang war die Renderei für mich keine echte Konkurrenz. Es gab eine Handvoll Firmen im Norddeutschen Raum, die das machten, die waren noch teurer und brauchten länger; man kannte sich und unterstütze sich teilweise gegenseitig. Ich denke da an archimation und Bünck & Fehse in Berlin, Erik Recke in Hamburg, und noch ein paar andere.

Aber dann kam die erste Generation Absolventen aus den Fachhochschulen, die Computernerds waren. Die hatten weder von guter Architektur Ahnung, noch von Betriebswirtschaft und unterboten uns um 50 % oder mehr, die wohnten bei den Eltern, ihre Rechner waren von Mama bezahlt, und sie arbeiteten mit geklauter Software. Das verhagelten uns die Honorare und ich mußte plötzlich diskutieren, warum ich so teuer war. Das war kein Spaß.

Vor sieben, acht Jahren hat sich das konsolidiert. Das Visualisierungsniveau ist inzwischen wahnsinnig hoch. Das liegt meiner Beobachtung nach an folgenden Faktoren:

  • Die Software ist sehr gut geworden (Stichwort „unbiased rendering“) und die Hardware schnell und billig.
  • Das Internet erlaubt sehr effizient voneinander zu lernen. 1996 kannte fast niemand den Namen „ILM“ oder was ein „Matte Painting“ sein sollte. Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal Google benutzte, das muß 1998 oder 1999 gewesen sein. Wenig später lernte ich deviant art kennen und was in der amerikanischen Filmindustrie für Visualisierungen gemacht werden. Das war eine Erleuchtung! Schaut Euch mal Craig Mullins an
  • Um 2004/2005 sah ich das erste Mal die Sachen von auralab – das war als ob jemand das Licht angemacht hatte, wir waren alle von den Socken und ruckzuck hatte man raus, wie man die Lichter weichzeichnen muß um dieses Geheimnisvolle in die Bilder zu bekommen.
  • Heute ist klar, dass es nicht reicht einen Computer bedienen zu können um gute Visualisierungen zu machen; man muß sich schon auch mit Fotografie und bildender Kunst beschäftigen, um vorne mitspielen zu können.
Wo siehst Du die Vor- und Nachteile von computergenerierten Architekturrenderings gegenüber handgezeichneten Architekturillustrationen?

 

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Unser Motto ist „wir machen Illustrationen, die Platz für Entscheidungen lassen“ und genau das ist es. Ein Rendering muß vollständig sein, um gut zu sein. Wenn man diese skizzenhafte Qualität reinbringen will, muß man nachträglich etwas am Ergebnis drehen. So funktioniert aber unser Gehirn nicht, weder das des Entwerfers, noch das des Kunden. Es gibt gute Beispiele, die sind scheinbar skizzenhaft, aber sehr aufwändig gemacht und keines ist richtig locker-flockig.

Dagegen spiegelt eine Zeichnung den kognitiven Prozeß wider. Wenn eine Linie fehlt, dann fällt uns das nicht auf, als Betrachter hinterfragt man das nicht, im Gegensatz zu einem Rendering. So kann man schwierige oder strittige Punkte des Entwurfs erstmal auslassen, es ist ein bißchen wie ein Zaubertrick – eine gute Zeichnung lenkt perfekt die Aufmerksamkeit des Betrachters.

Unsere Zeichnungen sind super in den Vorentwurfs- und Entwurfsphasen, in Diskussionen mit Bürgern, Bauherren und Fachleuten. Dafür passen sie überhaupt nicht in die Vermarktung, da wollen die Marketingleute genaueste Aussagen haben, denn ihre Kunden verfügen nicht über den kleinsten Funken Phantasie.

Wie setzt Du den Computer in deine kreative Arbeit ein? Welche Programme nutzt du hier und wie sieht der Workflow aus?

Den Rechner benutze ich bei möglichst allem – wenn es irgend geht vermeide ich Papier und Stifte, das mag jetzt wirklich komisch klingen, für jemanden der seinen Ruf seiner Handzeichnung verdankt.

Was die Programme angeht ist das sehr überschaubar: SketchUp, Photoshop, ein bißchen Maxwell Render und noch seltener Cinema4D. Ich habe da ne uralte Version, die muß ab und zu noch mal ran.

Wichtig ist mein Wacom Cintiq 13″, das zu kaufen war ein game changer. Wahrscheinlich werde ich demnächst das Wacom 24 HD touch kaufen. Mein Partner Paul ist sehr zufrieden damit.

Ich baue die Architektur sehr grob in SketchUp, dann bespreche ich mit dem Kunden – inzwischen immer öfter in einer Teamviewer-session – den Kamera-Standort und kläre Entwurfsdetails. Aus dem SketchUp-Modell exportiere ich PNGs, die übermale ich dann in PS, das war’s eigentlich schon. Manchmal mache ich ein Maxwell-Render, ganz einfach und grob, mit dem SU-PlugIn für € 70,-. Das blase ich dann um das Zweieinhalbfache auf, ich übermale es ja eh, aber dieses Licht kann ich mir so einfach nicht ausdenken, das ist schon groß.

 

 

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Wie läuft bei euch die Abstimmung mit dem Kunden zu Projektbeginn ab? Wie versuchst Du so etwas Abstraktes wie die individuelle Bildstimmung vorher mit dem Kunden abzustimmen? Läuft die Kundenkommunikation etwas anders ab als üblich?

Was ist denn üblich? (lach)

Wie gesagt, ich versuche alle meine Kunden in Teamviewer-Sessions zu zwingen, (die Armen!), denn die Echtzeitkommunikation ist einfach super und spart ne Menge Zeit und Mißverständnisse. Die finden es auch ganz toll in meinem SketchUp-Modell rumfuchteln zu können oder in PS mal einen Strich zu ziehen. Dazu dann ein gemeinsamer DropBox-Ordner (ich habe ein Terabyte Speicherplatz gemietet!), das machte das Leben sehr viel einfacher.

Als Grundlage nehme ich am liebsten PDFs, da muß ich nicht nach verlorenen DWG-Elementen suchen, sondern alle wissen, was ich sehe.

Immer häufiger bekommen wir auch SketchUp-Modelle, die nehmen wir recht gerne, so verstehen wir schneller, was der Kunde will – der Nachteilist, dass die Modelle of sehr schlampig gebaut sind und jede Menge Probleme machen, wenn man Änderungen einbauen muß.

Das mit der Stimmung kommt dann erst später, die ahnen ja, das ich ihnen das liefere, deswegen habe sie mich ja beauftragt. Meist ist es eher so, daß meine Skizzen sehr viel stimmungsvoller sind, als sich die Kunden das dann trauen. Da liegen mitunter Welten zwischen dem, was ich auf meiner Webseite veröffentliche und was die Kunden für ihre Zwecke nutzen.

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Siehst Du in der Szene, dass auch andere kreative das Thema „Architekturvisualisierung mit Stil“ für sich erkennen und umsetzen wollen? Wie schätzt Du die derzeitige „Visualisierungsqualität“ ein?

Was bedeutet denn „Architekturvisualisierung mit Stil“? Irgendeinen Stil hat doch jeder, oder?

Wie ich schon sagte: das Niveau ist sehr hoch, aber meiner Meinung nach auch sehr homogen. Man sieht das gut bei Ronen Bekerman. Klar, das muß so sein, alle nutzen die selben Werkzeuge, alle kennen die selben Tutorials, alle schauen voneinander ab.

Sehr entlarvend ist, wenn Du mal die Kollegen danach befragst, ob die Beispiele, die sie auf ihren Webseiten zeigen, denn auch das sind, was deren Kunden letztlich abnehmen. Da wirst Du ne Menge Schmerzensschreie hören, auch von mir. Es sind unsere Kunden, die was gegen „neue, kreative“ Stile haben. Und gegen „altes Zeug“ auch. (*lacht*)

Bietest du noch andere Dienstleistungen neben der Architekturillustration an?

Welche sollten das sein? Fußpflege? (lacht)

Ich hab mal eine Weile an einer Sommerakademie unterrichtet, aber das gab dann Verstimmungen, finanziell lohnte sich das auch nicht, also hab’ ich’s bleiben lassen. Momentan unterrichte ich einmal im Semester an der HfT Stuttgart Freihandzeichnen, vor allem wegen der Ehre; finanziell ist’s ne Nullnummer, es kostet mich drei Tage, und es ist akademisch eigentlich höchst unanständig: in ihrem ganzen Studium haben die Studenten nur diese zwei Tage Zeichenunterricht. Das ist ein totaler kultureller Niedergang. Wir hatten zwei Doppelstunden Zeichnen, über vier Semester, mit Theorie und Prüfungen und allem. Aber so ist das halt. Auf diese Weise sitzen wir in einer Marktnische, aus der uns niemand vertreiben wird.

Bietest Du deine Dienstleistungen deutschlandweit oder nur lokal an?

Antwort: Haha, lokal eigentlich gar nicht, meine Kunden sind in der ganzen Republik verteilt. Lokal kommt erst so langsam. Wozu auch, einen Kunden in Schwabing würde ich genauso wenig persönlich besuchen, wie den Kunden in Berlin.

Peter Wels wurde immer für Besprechungen zu Ingenhoven nach Düsseldorf eingeflogen. Das waren Zeiten. Da kannst Du Dir ausrechnen, was die Visualisierungen kosteten.

Kannst Du eine grobe Einschätzung geben mit welchen Kosten ein potentieller Kunde für eine Visualisierung rechnen muss? Geht es pro Bild oder wie geht ihr hier vor?

Antwort: Eigentlich rede ich ungern öffentlich über Preise, das wirst Du auch auf unserer Webseite nicht finden, denn das hängt dann doch von vielen Faktoren ab. Aber ich sag mal so: einfachere Bleistiftskizzen gibt’s schon für deutlich unter 1.000,-

Preislich bewegen wir uns alle im selben Rahmen, auch die Renderer. Wenn man viele Bilder braucht, sind die Renderer vielleicht pro Bilder billiger, bei 2-3 Bildern tut sich da nix.

Das hat ganz einfache Gründe: wir müssen davon leben, deshalb liegen unsere Tagessätze alle gleichauf, so zwischen € 600,- und € 800,-. Das bildet die untere Grenze ab, denn einen halben Tag ist die mindeste anrechenbare Zeiteinheit. Die obere Grenze setzt das zu erwartende Honorarvolumen des Architekten. Bei einer Messe für Hamburg lohnt es sich dann schon einmal € 22.000,- für die Images auszugeben, das sind im Verhältnis Peanuts.

Grundsätzlich bauen wir immer ein SketchUp-Modell, deshalb ist das erste Bild teurer, alle folgenden Bilder werden dann billiger, so ungefähr im Verhältnis 1 zu 0,7. Mehr als drei Bilder werden aber eh sehr selten verlangt…

Wo können meine Leser mehr über Dich, deine Arbeiten und dein Angebot erfahren?

Auf meiner Webseite: www.architektur-zeichnung.de

Hast Du vielleicht noch zum Abschluss einen Tipp für die Jungen und Wilden der Szene parat die gerade voller Begeisterung das Thema Architekturvisualisierung für sich entdeckt haben?

Oh, da hätte ich sehr viel zu sagen. Nichts über die Kunst, oder – Gott bewahre – Stilfragen.

Die wirklich wichtigsten Sachen überhaupt, wenn Ihr das mit der Visualisierung ernsthaft betreiben wollt:

  • werdet Mitglied in einem Verband (z.B. der Illustratoren Organisation);
  • sucht Euch nen Steuerberater, der sich mit Eurem Business auskennt (ich spreche aus sehr bitterer Erfahrung!!)
  • Ganz wichtig: stellt NIE Rechnungen über Eure Arbeitszeit aus. Denn das verkauft Ihr auch gar nicht. Denn Ihr verkauft Nutzungsrechte Eurer Bilder (7 % Mehrwertsteuer!). Das kann wichtig werden, wenn Eure Bilder zweitverwertet werden. (Das ist ein weites Feld, schreibt mir, wenn Ihr mehr darüber wissen wollt)
    Außerdem nehmt Ihr damit dieser Arbeitszeit=Kosten-Diskussion den Stachel.
  • Lernt die Grundlagen der Betriebswirtschaft; macht nen Business-Plan, und sei er noch so einfach, er muß aber aufzeigen, wie Ihr das mit der Krankenkasse, Eurer Altersversorgung und den Rücklagen machen wollt. Ihr werdet Euch wundern, welchen Umsatz Ihr pro Monat machen müßt, nur damit Ihr nicht untergeht und vielleicht auch mal Urlaub machen könnt. In Städten wie Berlin sind das um die 4.000,- Monatsumsatz, in München und Hamburg eher 5.000,- Und das ist nur das unterste Niveau, das entspricht einem Monatsgehalt von etwa 2.500,- Brutto. Davon kann man noch keine Familie ernähren.
  • Lernt die Grundlagen des Kapitalismus verstehen! Denn solange Ihr nicht wißt, wer tatsächlich über Architektur entscheidet, habt Ihr nichts verstanden. Ehrlich.

Also gut. Noch ein paar künstlerische Anregungen: Schaut Euch die Impressionisten an, am besten malt die mal nach, gerne auch mit Photoshop.

Unbedingt: Ansel Adams. Hokusai. Craig Mullins und sein großes Vorbild John Singer Sargent. Turner. Rembrandt. Comics, und das nicht zu knapp. Adolph Menzel.

Momentan auf meinem Nachttisch: „Framed Ink“ von Marcos Mateu-Mestre, „Graphic L.A.“ von Robh Ruppel, die kompletten Holzdrucke von „Yoshida Hiroshi„, „How to Render“ von Scott Robertson.

Großen Dank für das Interview!

Es war mir eine Freude und mach weiter mit Deiner tollen Arbeit!

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